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Alles ist Agil - oder?

Wer hat Lust auf eine agile Wanderung?

Agile Projekte, agile Unternehmen, agile Teams, agile Entwicklung von Produkten und Software – heute scheint alles agil zu sein. Jeder möchte agil sein. Ist ja irgendwie auch verständlich, was ist denn auch die Alternative dazu? Statisch, oder starr - hört sich beides nicht so besonders gut an.
Und in Wirklichkeit ist ja auch niemand statisch - aber was bedeutet denn nun die neu erfundene Agilität im Unternehmen und Projekten?
Nehmen wir ein Beispiel abseits von Produktentwicklung und Geschäftsprozessen oder Softwareentwicklung um die herkömmlichen Methoden mit den neuen, agilen zu vergleichen eine Wanderung auf einen Berggipfel.

 

"Bestehende" Methode

Nach der herkömmlichen Methode (Wasserfall) würde die Wanderung zu einem Berggipfel wie folgt ablaufen:

  • Wir planen die komplette Wanderung sehr genau im Vorfeld
  • Sämtliche Weggabelungen sind erfasst, besprochen und definiert in welche Richtung man weitergeht
  • Die Wanderung wird erst dann gestartet, wen die Planung vollständig abgeschlossen und die Dokumente abgenommen sind
  • Alle Aspekte der Wanderung sind geplant und eine Anpassung während der Wanderung würde einen entsprechenden Change verursachen.
    • Dies können abweichende Verpflegungskosten in der Alphütte sein oder eine Wegblockade die umgangen werden muss.
    • Ein Change muss entsprechend geplant, dokumentiert und abgenommen werden.
  • Am Ende der Wanderung wird ein Review gemacht und wir halten fest was gut gelaufen ist und was bei einem nächsten, ähnlichen Vorhaben angepasst werden sollte.

  

Die agile Wanderung

Betrachtet man die Wanderung zum Berggipfel in einer agilen Vorgehensweise, so wird dies wie folgt ablaufen:

  • Wir wissen in etwa in welche Richtung es geht und wir laufen gleich los.
  • Weggabelungen werden nach einer Vor-Ort Einschätzung in Angriff genommen und Ad-hoc entschieden in welche Richtung es weiter gehen soll.
  • Nach einem fixen Zeitschema halten wir auf der Wanderung an und eruieren, wo wir stehen.
  • Prüfen, ob die Richtung der Wanderung und das Ziel noch korrekt sind und wir dem Ziel auch näher kommen.
  • Sammeln Feedback im Team was gut lief und was verbessert werden kann. Verbesserungen fliessen möglichst direkt in den nächsten Marschabschnitt ein.
  • Sind wir irgendwo falsch abgebogen, dann korrigieren wir die Richtung, damit wir wieder auf Kurs kommen.

  

An der herkömmlichen Methode ist per se eigentlich nichts falsch. Ersetzt man aber das Ziel einer Wanderung, den Berggipfel, mit einem Business-Ziel, dann ist es doch eher so, dass der Gipfel sich nicht weg bewegt und wir mit beiden Methoden vermutlich in etwa genauso schnell und effizient ankommen können. Das Geschäftsziel oder der Markt bewegt sich jedoch immer schneller und darauf muss sofort reagiert werden können.
 
Bleiben wir bei dem Beispiel und betrachten was das im Detail bedeutet, wenn wir die Wanderung „agil“ angehen.

  • Wir machen einen groben Ausblick was das Ziel aktuell sein soll und erfassen die wesentlichsten Punkte um sofort losgehen zu können.
    • Das heisst wir wissen, dass wir Rucksäcke und Schuhe, sowie Geld
      für Verpflegung und Getränke benötigen und wir wissen in welcher Richtung der Gipfel liegt.
  • Wir laufen los und nehmen unterwegs auf wie sich der die Wanderung verhält, welche Verpflegungsmöglichkeiten wir haben, wie der Weg beschaffen ist, etc. Und wir nehmen auf in welchem Tempo wir unterwegs sein können.
  • Nach einem definierten Zeitraum, halten wir an und besprechen zusammen die erreichten Ziele. Prüfen ob die Richtung noch stimmt und stellen fest in welchem Tempo wir unterwegs sind.
  • Ebenso werden wir festhalten, was gut funktioniert hatte und was uns daran gehindert hatte schneller anzukommen.
  • Eventuell muss die Ausrüstung für die Wanderung angepasst werden und z.B vor dem Anstieg zum Gipfel müssten Wanderschuhe beschafft werden.
  • Wir legen auch das nächste Etappenziel zusammen fest.
  • Dieses Prozedere wiederholen wir in regelmässigen Abständen und passen die Richtung, das Team Setup und Ausrüstung so an, dass wir das Ziel möglichst rasch erreichen können.
  • Das Ziel kann sich während der Wanderung ändern. Und eventuell soll das Ziel nicht mehr der Gipfel, sondern eine Alphütte oder ein See sein.

 

 

Und nun - was ist besser?

Nehmen wir uns einen Moment und denken darüber nach, wie wir es persönlich umgesetzt hätten und wo das eine oder das andere Vorgehen Vorteile hat. Die Grundidee der agilen Methode ist, dass wir schneller unterwegs sind, wenn wir nicht zuerst alles bis ins letzte Detail planen, definieren und dokumentieren, sondern mit einem Basiswissen und der groben Richtung los laufen und auf Veränderungen laufend reagieren, sowie Optimierungen vornehmen.
 
Eine Wanderung zu einer Alphütte oder Wanderung rund um einen See kann einfach agil umgesetzt werden. Die Ziele können sich stetig anpassen und darauf kann entsprechend reagiert werden. Dies ist eine agiles Vorhaben ohne grosse Herausforderungen.
 
Nimmt man sich ein anderes Ziel vor wie z.B die Eiger Nordwand, dann bringt dies ein paar Herausforderungen mit sich. Das Team ist gestartet und stellt im ersten Drittel der Eiger Nordwand fest, dass der Bergführer noch nicht Teil des Teams ist und wesentliche Komponenten der Ausrüstung fehlen, wie z.B Seile und Steigeisen.
 
Die einen mögen jetzt denken - „klar, wusste ich doch gleich - agil geht nicht für alles“ - jedoch ist es so, dass in der agilen Welt Fehler gemacht werden dürfen und diese auch bewusst in Kauf genommen wird. Denn agil bedeutet auch - Fehler machen dürfen, daraus zu lernen und entsprechend zu agieren. In diesem Fall das Team mit dem Bergführer zu erweitern und die Ausrüstung entsprechend anzupassen.

 

Agiles arbeiten bedeutet demnach nicht nur, dass die Umsetzung sich stetig anpasst und agil unterwegs ist, sondern auch, dass das Umfeld, die Auftraggeber und Verantwortlichen und das Team sich dem Umstand bewusst sind und:

  • eine Fehlerkultur etablieren welche Fehler zulässt und diese nicht anprangert.
  • bereit sind Schritt für Schritt den Fortschritt anzunehmen und nicht das Endziel als komplettes zu erwarten.
  • bereit sind Ziele regelmässig zu überprüfen, anzupassen, neu priorisieren und sich stetig zu verbessern.
  • die Verantwortungen für die Umsetzung komplett auf das Team überträgt.
  • die Finanzierung des Unterfangens resp. in unserem Fall für die komplette Reise, sicher zu stellen. Diese beinhaltet die Reise und die komplette Lernkurve des Teams.

  

Agiles Vorgehen im Unternehmen einzuführen ist definitiv kein IT-Projekt - es ist eine Kulturanpassung ein unternehmensweiter Change. Dieser zieht sich durch  alle Stufen hindurch vom Management bis hin zu jedem Mitarbeitenden und muss entsprechend angenommen und getragen werden.

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